Dienstag, 31. März 2009

Es ist nur allzu natürlich - Zahlen auf Spanisch

Zur Beruhigung etwaiger Spanischschüler hier ein Beispiel dafuer, dass auch Muttersprachler nicht automatisch alles von vornherein so aufnehmen, wie es auch wirklich ist.
Wenn man gewisse Grundkenntnisse einer Sprache besitzt, dann will man immer wieder einmal eine auf logischer Basis konstruierte Eigenweiterentwicklung seiner Sprachkenntnisse vornehmen. Leider folgen Sprachen nicht immer der Logik, wenn es auch im Normalfall Gründe für die "Unlogik" gibt.

Hier also das Beispiel:
Niklas, knappe 6 Jahre alt, wächst in einer spanischsprachigen Umgebung auf. Dass ich Deutsch mit ihm rede, versaut ihm zwar ein wenig die Aussprache (in Wirklichkeit sagen die Leute: "Was für einen süßer Akzent!"), aber grundlegende Dinge lernt er richtig und das sehr gut.
Stammleser wissen, dass Kinder in Mexiko bereits sehr früh ordentlich gefordert werden. Die hiesige Vorschule ("kinder" oder "preescolar"), die - das Alter der Kinder betreffend - der deutschen Vorschule entspricht, funktioniert im Sinne einer Schule. Mit viereinhalb Stunden Unterricht montags bis freitags, Pausen inklusive.

Dementsprechend besitzt Niklas bereits einige Grundkenntnisse der Mathematik. Während er sich schon fleißig mit Multiplikation herum schlägt (was bedeutet, dass er Addition und Subtraktion hinter sich hat) - die Rede ist von Zahlen bis 100 - geht es nun darum, sich langsam mit den "Namen" größerer Zahlen vertraut zu machen.
Die typische Reihenfolge beim Lernen von Zahlen ist:
- 1 bis 10 (oft auch bis 12, was ich im Deutschen, Englischen und Spanischen für sinnvoller halte)
- 10 (12) bis 20
- dann die Zehnerschritte (20, 30, 40 ...)
- die Kombination "Zehner" und "Einer" (83, 57 ....)
- dann die Hunderter

An diesem Punkt ist Niklas.
Der mir heute früh stolz erklärte, dass er schon wüsste, wieviel 100 + 100 sind. Und 100 + 200. Toll!

"Und wie geht´s weiter?" fragte ich ihn.
- Hmmmm.
"Schau mal: 200 ist doscientos, 300 ist trescientos.
dos, tres ...."

- ... Cuatro!!!
"Genau! Also ist doscientos plus 100 gleich trescientos, wie du schon weißt, und trescientos plus 100 gleich .....?"
- .... Cuatrocientos!!!
"Super!!!!" ...... Gegröhle, chócala, Gib mir 5! .....

Man ahnt, was kommt.
Wir spielten dieses Spiel natürlich weiter.
Und schon nach der 400 kam der erste Einbruch in Niklas´Glauben an die Logik.
Die 5 nennt man im Spanischen cinco.
Nun glaube man aber nicht, 500 wäre cincocientos. Oh nein!
Die heißt: quinientos (kinjentoss).

Diese Ausnahme ist aber mit den beiden folgenden nicht zu vergleichen, mit denen wir zurück zu unseren Spanisch Schülern und -lehrern kommen. Denn die nächsten beiden Unterschiede (zur "logischen" Annahme) sind viel feiner. Und wenn man diese nicht von Anfang an richtig lehrt .....
(siehe auch: Von der Faulheit der Zunge)

Als wir zur 700 kamen, sagte Niklas mir in seinem jugendlichen Leichtsinn (und der Logik folgend): sietecientos (ssjehtessjentoss), denn die 7 ist auf Spanisch siete (ssjehte).
Korrekt ist aber: setecientos (ssehtessjentoss), ohne das imaginäre "j".

Und somit konnte auch der 900-er-Fehler kaum ausbleiben.
Die "9" im Spanischen lautet: nueve.
Also gab Niklas mir jetzt nicht 5, sondern ein nuevecientos.
Hier ist korrekt: novecientos.

......

Niklas wird die Zahlen richtig lernen, sowohl in mathematischer als auch in aussprachlicher Hinsicht, da habe ich keine Zweifel.
Aber an alle Sprachlehrer und -Schüler der Tipp, sich ruhig ausgiebig mit den Zahlen zu befassen. Gerade, wenn es sich um Erwachsene (Schüler) handelt, die den mathematischen Teil bereits kennen. Aus eigener Erfahrung: Man ist zu oft versucht, die Zahlen beim Erreichen von 100 und nach der Vorgabe der weitergehenden Struktur stark zu vernachlässigen. Und so schleichen sich die Fehler ein, wenn es sich auch nicht um bedeutende Fehler handelt.

Und wir wissen, wie unsere Gehirnschubladen funktionieren.
Einmal etwas Falsches abgelegt, ist es sehr schwer, dies wieder auszuradieren.
Denn es ist mit Kuli geschrieben, nicht mit Bleistift.

"Aber wenn es mit Kuli geschrieben ist, warum vergilbt es dann bei fehlender Praxis so schnell?!!!!"

Das ist eine Frage, mit der wir uns ein andermal befassen können.

 
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