Samstag, 7. Juni 2008

Down Syndrom: Sind zeitliche Zielsetzungen fuer die Entwicklung des Kindes sinnvoll?

Tricia drueben bei "Unringing the Bell" drueckt im Artikel "O.K. Back to My Own Bitter Reality" ihre Unzufriedenheit darueber aus, dass die therapeutischen Betreuer und Begleiter ihrer Tochter Georgia (mit dem Extrachromosom ausgestattet) die Ziele der Therapie nicht so setzen, wie Tricia es gern haette. Und zwar zeitlich gesehen. In erster Linie geht es ums Laufen, aber man kann dies sicherlich auf alle anderen kleinen und grossen Fortschritte in der Entwicklung unserer Kinder verallgemeinern.

Die Kommentare bei Tricia geben ihr recht, in der Hinsicht, dass sie sich nicht irre machen lassen und an ihrem eigenen Zeitplan festhalten soll.
Setting goals nennt man diese Zielsetzungen im Englischen.

Ich kann mich damit nicht ganz einverstanden erklaeren, wenn mir meine psychologische Gesundheit wichtig ist. Das hat nichts damit zu tun, was andere Leute sagen, sondern damit ob es ueberhaupt empfehlenswert ist, sich die Ziele mit einem Zeitpunkt verbunden zu setzen.
Sich Ziele zu setzen, ist natuerlich ohne Frage gut und wichtig. Dabei geht darum, die Foerderungen und Therapien so zu steuern, dass der maximale Erfolg mit Hinblick darauf erzielt wird, was das Kind laut der natuerlichen Entwicklungsreihenfolge als naechstes koennen bzw. lernen sollte, abhaengig davon, was es bereits kann bzw. wie der physische, geistige, kognitive oder was-auch-immer-Zustand als Voraussetzung fuer den jeweils anvisierten naechsten Schritt als reales IST aussieht.

Wenn ich mich durch die Down-Syndrom-related Blogs lese oder mich in Maximilians Therapiezentrum umsehe, kann ich erkennen, WIE unterschiedlich doch die Entwicklung der Kinder im Verhaeltnis zu ihrem Alter verlaeuft. Und hier ist die Rede nur von Kindern innerhalb des Rahmens "Trisomie 21"; andere als Entwicklungsbremsen bekannte kleine Besonderheiten werden gar nicht zu Rate gezogen.

Die goals Sitzen, Stehen, Krabbeln, Laufen, Sprechen, um nur einige der "groesseren" Entwicklungsschritte zu nennen, koennen bei Kindern mit dem Extrachromosom im Abstand von JAHREN erreicht werden, was bedeutet, dass ein Kind moeglicherweise mit anderthalb Jahren schon laeuft, waehrend ein anderes mit 3 Jahren immer noch nicht soweit ist.
Vielleicht koennen die Experten anhand jeder Menger Werte und Erfahrungen eine ungefaehre Wahrscheinlichkeit darueber prognostizieren, WAS mein Kind WANN koennen/lernen wird. Aber nicht ohne Grund sind sie dabei sehr, sehr vorsichtig, denn die Fehlerquote liegt sehr hoch, sowohl in der Quantitaet als auch im Inhalt.

Was also wuerde es mir bringen, wenn ich mit ein zeitliches Ziel setzte, wann Maximilian dies, das oder jenes koennen sollte?
Und moeglicherweise (besser: wahrscheinlich!) eine Enttaeuschung nach der anderen hinnehmen muesste?
Rein gar nichts.
Im Gegenteil. Wenn wir - generell gesprochen - unsere gesetzten Ziele nicht zu erfuellen in der Lage sind, werden wir unzufrieden, ungluecklich, pessimistisch, bis hin zu depressiv. Je oefter, desto mehr.
Keine wuenschenswerten Eigenschaften, oder?

Einen Punkt gibt es natuerlich doch auf der Gegenseite. Wie naemlich erzeuge ich den notwendigen Druck in mir selbst und in meinem Kind, um nicht nachzulassen mit der ganz wichtigen Arbeit der Fruehfoerderung? Dabei waeren zeitliche Zielsetzungen bestimmt ein sehr hilfreiches Mittel. Aber auf Basis der oben genannten psychologischen Kosten?
Fuer mich (uns) persoenlich sage ich: Nein danke!
Andere Wege muessen her, um die Motivation aufrecht- sprich die Flamme am lodern zu erhalten. Die Hoffnung selbst und der Glaube an die Effizienz der therapeutischen Arbeit, die meiner Gedankenwelt innewohnen, sind fuer mich eine ausreichend kraeftige Triebfeder.

Zweifellos kommt es auch mir manchmal so vor, als ob Maximilian bis heute ueberhaupt nichts gelernt haette (was natuerlich Quatsch ist) ausser dem beliebten facekicking, wenn er bei uns im Bett schlaeft. Und er ist mittlerweile maechtig kraeftig.
Wenn man es aber nicht verlernt, jeden kleinen Fortschritt willkommen zu heissen und gebuehrend zu ehren; wenn man es nicht verlernt, sich darueber zu freuen, was das kleine Wesen SCHON KANN (anstatt darueber zu verzeifeln, was es NOCH NICHT KANN), egal "wie spaet" es ist, dann sollte man in der Lage sein, eine ganze Menge Druck ueber Bord zu werfen und die Waage in Richtung "Gluecklichsein" zu beeinflussen.
Und das ist es doch, was wir alle in erster Linie suchen, oder?

 
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