Herzlich willkommen im Jahr 2011!
Ich wünsche Euch von ganzem (und repariertem) Herzen, dass es ein unter möglichst vielen Aspekten erfolgreiches und vor allem mit prächtiger Gesundheit einhergehendes Jahr sein mag.
Obwohl der Titel dieses Beitrags nicht viel Gutes erwarten lässt, möchte ich Euch doch nicht vorenthalten, dass ich ein paar herrliche Wochen erleben durfte. Besonders aufregend wurde es fraglos ab dem Datum, welches ich Euch als "V I E R" vorstellte.
Ins Detail will ich hier aber gar nicht (mehr) gehen, sondern eher Anschluss an die "Last Days in Paradise" suchen. Denn plötzlich haben wir ein Problem. Ein Problem, das dadurch erzeugt wurde, dass ich als behindert gelte. Ich habe nicht vor, hier aus Begriffsdefinitionen Pferde zu machen und selbige zu besteigen. Aber erzählen will ich Euch von dem Problem:
Alles begann ziemlich viel versprechend.
Während der Weihnachtsferien gelang es Mami und Papi getreu (nicht nur Klischee-)mexikanischer zeitlich betrachteter Bedürfnis-Aktion-Handhabe, ein potentiell neues Paradies für mich aufzutun. Für die kommenden etwa 7 Monate, bevor es mich eigentlich in den "Kinder" a.k.a. "Preescolar" verschlagen soll.
Wie es aber manchmal mit Last-Minute-Entscheidungen so ist, konnte es besser kaum kommen. Mami und Papi hatten schon vor geraumer Zeit eine Art Prioritätenliste erstellt, die es im Nachhinein relativ einfach machte, die für uns alle vorteilhafteste KiTa für mich auszuwählen. Ganz oben in dieser Liste stehen nicht etwa Punkte wie "behindertengerecht" oder ähnliche, mit meinem Extrachromosom im Zusammenhang stehende Punkte. Dort stehen Begriffe, die nicht als Pro oder Kontra, sondern als schlichte Bedingungen verstanden werden müssen. Im Sinne des Wortes: Voraussetzungen, deren Nicht-Erfüllung meinen Besuch der Institution nahezu unmöglich machen würde.
Es geht da um Dinge wie "Ab wieviel Uhr werden die Kleinen empfangen?" (aufgrund unserer familiären Situation ist bei diesem Punkt "7 Uhr" als Antwort notwendig - gar nicht so einfach zu finden in Aguascalientes) oder die Kosten (da gibt es ein eindeutiges Limit).
Von den ersten 10 Punkten dieser Prioritätenliste erfüllte das vermeintliche neue Paradies 8. Eine tolle und unerwartete Punktzahl. Die erwähnten "Bedingungen" erfüllte sie komplett. Um nur 2 der "fetten" Vorteile zu nennen:
- Im Auto brauchen wir von der Höhle aus etwa 28,3 Sekunden (Ich laufe zwar jeden Tag besser, aber längere Strecken wie vielleicht 250 Meter sind morgens um 7 Uhr und mit Zeitdruck noch nicht unbedingt empfehlenswert).
- Mathematik: 2 Erzieherinnen kommen auf 8 Kinder. Wieviele Kinder kommen auf eine Erzieherin? Wieviele Erzieherinnen bekomme ich ab?
Kurz und gut: Das war eine feine Sache.
Ich habe keine Ahnung, wie Mami so direkt reagiert hätte. Aber Mami hat heute nicht gearbeitet (um an einer Elternversammlung in Niklas´ Schule teilzunehmen [mit 9,8 wurden seine jetzt schon viel ernsthafter bewerteten schulischen Leistungen des letzten bimestres 2010 benotet] und mehrere Einrichtungen auf der Suche nach einer neuen Sprachtherapie für mich aufzusuchen - nachdem ich altersbedingt keinen Platz mehr im Teletón habe) und so ergab es sich sich, dass Papi mich aus dem vermeintlichen neuen Paradies abholte. Ich schlief gerade, wie ich das Mittags gern tue, und Papi meint, dass er sich den literarisch so häufig zitierten Eiszapfen, zu dem sein Herz in jenem Moment wurde, nicht anmerken ließ.
Papi war es nämlich, der sich - um endlich Sinn und Verstand in den vorhergehenden Absatz zu bringen - die Worte der sichtlich verlegenen Chefin der KiTa anhören musste, laut denen ich dort plötzlich dank Anweisung von höheren Positionen aus nicht mehr sein dürfte. Dies trotz aller vorhergehender Versicherungen, dass ein Kind mit Down-Syndrom doch keinerlei Problem wäre.
In beziehungsweise ab diesem Moment kann ich nun viele Dinge in die Waagschale werfen. Was besagt das Gesetz? Bin ich eine Gefahr für Andere? Bremse ich die Anderen in ihrer Entwicklung? Hat man Angst vor mir? Wer? Warum? .....
Was am Ende übrig blieb, war ein einfacher und schlimmer Gedanke: "Ich gehöre nicht zu ihnen."
Was kann es Schlimmeres geben?
Schuldig bin ich Euch aber noch die wahrhaftig angebrachte Begründung (der Oberen):
"Mögliche Konvulsionen" (Krämpfe, Zuckungen)
Etwas, das mir noch nie passiert ist und wahrscheinlich auch nie passieren wird.
Etwas, das nicht in Einklang zu bringen ist mit meinem Mosaik-Down-Syndrom.
Aus welchem Finger hat man sich dieses fadenscheinige Argument gesogen?
Ich könnte verstehen, dass man mich loswerden wollte, wenn ich die anderen Kinder bedrohen, beissen, kratzen, verletzen, schlagen, in ihrem Lernprozess aufhalten ... oder sonst etwas würde. Ich könnte verstehen, dass die Erzieherinnen sich mit mir unwohl fühlen wuerden, wenn die Gefahr bestünde, dass ich plötzlich einen Herzanfall bekäme, epileptische Anfälle hätte, an meinem eigenen Erbrochenen ersticken könnte.
Nun ist aber - zumindest bisher - nichts von dem Genannten der Fall.
Ich beisse, kratze und haue schonmal, aber kaum mehr als andere Kinder.
Ich kann mich allerdings Siebentausend mal nach Gründen fragen.
Und das bringt mich keinen Schritt weiter.
Weiter bringt mich die Beantwortung der Frage: "Was nun?"
Sollen Mami und Papi auf die Barrikaden gehen?
Oder vielleicht doch besser der Devise folgen: "Wo man mich nicht haben will, da will ich auch nicht hin!"?
Ein Problem hierbei ist das Fehlen von Alternativen.
Wenn wir - die "Bedingungen" vorausgesetzt - einen Laden finden würden, der 5/10 (Prioritätenliste) erreicht, könnten wir uns glücklich schätzen. Aber vielleicht haben wir "glücklich" aufgebraucht. Denn seit meiner erfolgreichen Herz-OP hatten wir - den Umständen entsprechend - ziemlich viel davon.
Festzuhalten bleibt, dass ich nun endlich gemerkt habe, dass ich anders bin.
Die Gesellschaft und ihre Gesetzgeber tun so, als wollten sie alles dafür tun, damit einem Kind (oder auch nicht Kind) eine solche Erfahrung erspart bleibt. Gelungen ist dies der Gesellschaft und ihren Gesetzgebern nicht. Ich kann nicht penetrant-ignorant behaupten, dass ich doch dazu gehöre, solange man mir auf die beschriebene Weise das Gegenteil beweist. Ich muss allerdings ganz-sehr-doll auch sagen, dass es der Gesellschaft (inklusive ihrer Gesetzgeber) zumindest zum Teil doch gelingt. Denn die Begleitumstände der ersten 4 Jahre meines Lebens sprechen ihre eigene Sprache.
Montag, 10. Januar 2011
Rausschmiss nach 3 Tagen - Diskriminierung kann schmerzhaft sein
um 16:49
Labels: Aguascalientes, Behinderung, Diskriminierung, Down-Syndrom, Fotos, Maximilian, Mexiko, storytellers, Warum?
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2 Kommentare:
Ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Ich kann den Schmerz so gut verstehen. Könnte man sich denn nicht auf eine dreimonatige Versuchsphase einigen, damit Max die Chance hat, seine Talente unter beweis zu stellen? Bis dahin hätte er bestimmt alle um den Finger gewickelt.
Liebe Grüsse und Kraftwünsche über das grosse Wasser
Gabriela
No te vengas abajo! Arriba ese ánimo!
Un besote, Max!
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