Donnerstag, 11. Juni 2009

Pablo Pineda - (fast) Europas erster Lehrer mit Down-Syndrom

Der 34-jährige Spanier Pablo Pineda ist Europas erster Akademiker mit Downsyndrom. Sein Traumberuf Lehrer ist nur noch vier Prüfungen entfernt. So ungewöhnlich ist das nicht: In Spanien gehen 85 Prozent der Kinder mit Downsyndrom in eine reguläre Schule. WELT ONLINE sprach mit Pineda über Lernen, Behinderung und überbehütete Kinder.


Pablo Pineda schloss sein Lehramtsstudium ab und machte in diesem März sein Lehrpraktikum in Córdoba. Pineda bereitet sich zur Zeit auf die Prüfung zur Zulassung in den öffentlichen Dienst vor, zum Abschluss des Psychopädagogik-Studiums fehlen ihm nur noch vier Prüfungen. Beim Filmfestival von Málaga Ende April wurde der vom Leben Pinedas inspirierte Spielfilm „Yo también“ („Ich auch“) mit ihm selbst in der Hauptrolle präsentiert: Leben, Lieben, Leid und Freude während der Studienzeit. Mit Pineda sprach Jan Marot.

WELT ONLINE: Wie haben Sie selbst vom Downsyndrom erfahren?

Pablo Pineda: Es waren nicht meine Eltern, die es mir sagten. Es war mein Lehrer. Ich war etwa sieben Jahre alt, als er mich fragte, ob ich wüsste, was das Downsyndrom sei. Natürlich sagte ich ja. Er durchschaute mich aber, und erklärte mir die Genetik des Downsyndroms. In dem Alter war das eine echt harte Nuss. Für mich klang das wie Aramäisch. Das war schon heavy. Ich hatte nur zwei Fragen: „Bin ich dumm?“ Er antwortete: „Nein.“ „Kann ich weiter in die Schule gehen mit meinen Freunden?“ Er sagte: „Kein Problem.“ Der Rest, der war mir egal.

WELT ONLINE: Wie die Mehrzahl der spanischen Kinder mit Downsyndrom. 85 Prozent gehen mittlerweile in eine reguläre Schule ?

Pineda: Ja, jetzt. Aber früher existierte die Integration nicht. Das ist der aktuelle Höhepunkt einer Entwicklung. Ich war der erste Schüler, der mit Downsyndrom an eine öffentliche Schule ging.

WELT ONLINE: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?

Pineda: In der Schule hatte ich einen Riesenspaß, wie nie zuvor mit meinen Freunden. Es waren wunderschöne, interessante und auch harte Erfahrungen, die ich erlebte. Aber insgesamt war es eine unglaublich bereichernde Phase meines Lebens. Es gab bessere und schlechtere Tage. Besonders die Pubertät war hart. Die ist aber immer sehr schwierig. Ich selbst konnte damals teils nicht in und mit meiner Haut leben.

WELT ONLINE: Warum fiel Ihre Wahl auf das Lehramtsstudium?

Pineda: Als Kind „pilgerten“ die Ideen, wie ich so sage. Ich wollte mal Anwalt werden, dann Journalist. Ein Professor und Mentor riet mir: „Pablo, Studien sind hart. Es herrscht starke Konkurrenz. Studiere doch Lehramt.“ Das habe mehrere Abschlussvarianten. Ich bereute es keine Sekunde. Ich arbeite sehr gerne mit Kindern. Und ich fühle mich sehr nützlich.

WELT ONLINE: Absolvieren Sie ein fixes Tageslernpensum?

Pineda: Von nichts kommt nichts. Ich lerne etwa sechs, sieben Stunden am Tag. Die Abende halte ich mir frei. Ich bin tagaktiv (lacht) und kein Nachtschwärmer. Und ich lerne immer mit Musik. Seien wir einmal ehrlich, ein Studium ist nicht einfach, und mit Downsyndrom, das mich etwa um 30 Prozent einschränkt, ist es umso schwerer. Für seine Zukunft muss man kämpfen.

WELT ONLINE: Was bringt es mit sich, der erste Uni-Absolvent Europas mit Downsyndrom zu sein?

Pineda: Es ist eine große Verantwortung. Ich weiß, dass es viele Eltern gibt, viele Väter und viele Mütter, die Kinder mit Downsyndrom haben. Sie brauchen jemanden, der ihnen zeigt und sagt: „Dein Kind kann es.“ Dann kommen Medien hinzu, die stets Nachrichtenwertes suchen. Und ich will ja auch einem Teil der Bevölkerung ein Gesicht geben, der so gut wie nie eine Nachricht wert war. Die Medien mögen mich – und sie rufen mich an, bis zu 30 Mal an einem einzigen Tag. Das zehrt schon etwas an mir.


TVE zum Film "Yo también"




WELT ONLINE: Haben Sie bereits Stellenangebote?

Pineda: Noch nicht. Bei der Stadtverwaltung von Málaga käme ich mit der Zulassungsprüfung für den öffentlichen Dienst meinem Ziel, ein fixes Einkommen zu haben, näher. Für meinen Film lebte ich mit einem Kollegen in Sevilla beim Dreh zusammen. Das war der Punkt, an dem ich beschloss, meine eben erfahrene Unabhängigkeit fix zu planen. Wo ich schließlich arbeite, werden wir sehen. Das kann in der Ausbildung sein, in der Berufsorientierung, in der Beratung, wer weiß. Ich bin flexibel.

WELT ONLINE: Was ist Ihrer Meinung nach eine „Behinderung der Gesellschaft“ an sich?

Pineda: Das größte Manko der Gesellschaft ist, das Anderssein nicht verstehen zu können. Aus dem Nichtverstehen heraus etikettiert man. Die „Homosexuellen“, die „Immigranten“, bis hin zu „den Frauen“. Man teilt in Kollektive. Das „andere“, da wissen viele nicht, wie man es behandeln soll. Sie isolieren es, verkindlichen den Umgang mit ihm, oder sie meiden es schlichtweg. Es entstehen Stereotype, Vorurteile, bis hin zu Wörtern wie „Discapacidad“ („nicht fähig sein“), dem spanischen Wort für Behinderungen.

WELT ONLINE: Was wäre für Sie eine sprachliche Alternative? Denn auch das spanische „Minusvalido“ („minderwertig“) ist keineswegs adäquat ?

Pineda: Es ist eine Beleidigung, jemanden „nicht fähig“ oder „behindert“ zu nennen. Warum nicht schlicht und einfach „anders“, „andere Menschen“?

Quelle

2 Kommentare:

Eddys Oma Gabi hat gesagt…

Ich bin begeistert!
Eddys oma aus Bautzen

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